3.3.3 Religionsunterricht

1.    Rechtliche Grundlegung des konfessionellen Religionsunterrichts in Baden-Württemberg

Das Fundament für den konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen bildet Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Artikel ist der Religionsunterricht als „res mixta“ gestaltet, das bedeutet: Der Staat richtet Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach ein, dessen inhaltliche Ausgestaltung geschieht aber in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften. Ausgehend von dieser grundgesetzlichen Regelung garantiert die Landesverfassung des Landes Baden-Württemberg in Artikel 18 den Religionsunterricht. Dieser Artikel wird durch die Artikel 12, 15 und 16 vorbereitet, die eine menschenfreundliche Erziehung im christlichen Geiste einfordern. Die konkrete Ausgestaltung des Religionsunterrichts im Blick auf Konfessionalität, Mindestschülerzahl (von 8 Personen), Bildungsplänen, Aufsicht und Teilnahme wird im Schulgesetz des Landes Baden-Württemberg (SchG) in den Paragrafen 96–100 geregelt.

Als ordentliches Lehrfach ist Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg ein Pflichtfach. Jede/r Schüler/in ist zur Teilnahme am Religionsunterricht seines/ihres jeweiligen Bekenntnisses verpflichtet.[1] In Ausnahmefällen wird auch der Besuch des Religionsunterrichts einer anderen Religionsgemeinschaft gestattet.[2] Aufgrund der Religionsfreiheit können Erziehungsberechtigte ihre Kinder bzw. religionsmündige Schüler/innen sich selbst vom Religionsunterricht abmelden (§ 100 Abs. 2 f. SchG).[3] Schüler/innen, die den Religionsunterricht nicht besuchen, müssen stattdessen am Unterricht im Fach Ethik teilnehmen, insofern die Schule diesen anbietet.[4]

Eine besondere Herausforderung für die Umsetzung des Religionsunterrichts bilden die privaten Schulen in nichtkirchlicher Trägerschaft: Nach dem Grundsatzurteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg von 2018[5], bestätigt durch das Bundesverwaltungsgericht am 29.04.2019[6], müssen Schulen in freier Trägerschaft, auch wenn sie staatlich anerkannte Privatschulen sind, keinen Religionsunterricht anbieten.

Die Teilnahme am Religionsunterricht wird durch eine zunehmende Säkularisierung der Gesellschaft und durch demographische Entwicklungen immer häufiger hinterfragt. Vor diesem Hintergrund wurden die Regelungen zur Teilnahme am konfessionellen Religionsunterricht in der Verwaltungsvorschrift des Kultusministeriums vom 21.12.2000[7] aktualisiert. Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland hatten auf diese Entwicklung schon 1998 mit einer Vereinbarung zur Kooperation von evangelischem und katholischem Religionsunterricht reagiert.[8] Ein regulär konfessionell-kooperativer Religionsunterricht wurde in Baden-Württemberg dann ermöglicht durch die zwischen der Erzdiözese Freiburg, der Diözese Rottenburg-Stuttgart und den Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg geschlossene Vereinbarung vom 01.03.2005.[9] Diese Vereinbarung wurde 2015 durch Grundlagentexte und einen verbindlichen Rahmen für die Genehmigung und Umsetzung durch die Diözesen und Landeskirchen aktualisiert.[10]

Beim konfessionell-kooperativen Religionsunterricht bieten Evangelische und Katholische Kirche „wechselseitig Schülerinnen und Schülern der jeweils anderen Konfession die Teilnahme am eigenen Religionsunterricht mit allen Rechten und Pflichten an, wenn von der anderen Konfession kein eigener Religionsunterricht angeboten werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn selbst jahrgangsübergreifend keine Lerngruppe von mindestens 8 Schülerinnen und Schülern der eigenen Konfession zustande kommt.“[11] 

Die Einführung von konfessionell-kooperativ erteiltem Religionsunterricht an einer Schule muss kirchlich genehmigt werden: Wenn die Fachkonferenz beider Konfessionen und die Eltern zugestimmt haben, kann die Schulleitung über die zuständigen Schuldekaninnen und -dekane an den Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart und das Bischöfliche Ordinariat Rottenburg einen entsprechenden Antrag stellen.[12]

2.    Ordnungen zum Religionsunterricht in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Den Rahmen für den Religionsunterricht in der Diözese Rottenburg-Stuttgart bildet das Grundsatzpapier der deutschen Bischöfe „Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen“[13]  vom 16.02.2005. Diese Rahmenordnung wurde durch Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht unter dem Titel „Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts“[14] 2016 weiter entwickelt. Die o. g. Vereinbarung zum konfessionell-kooperativen Religionsunterricht vom 01.12.2015[15] gibt den aktuell verbindlichen Rahmen für die konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen vor. Innerhalb dieses Rahmens werden Organisation und Durchführung des Religionsunterrichts in der Diözese Rottenburg-Stuttgart durch die Ordnung des Religionsunterrichts geregelt.[16] Insbesondere für kirchlich angestellte Religionslehrkräfte und pastorales Personal, das Religionsunterricht erteilt, sind zudem die Dienstordnung[17] und die Schulordnung[18] für Religionslehrer zu beachten.

Die Übereinstimmung des Religionsunterrichts mit der Lehre der katholischen Kirche wird in dreifacher Weise gesichert. Einmal durch die Genehmigung der Bildungspläne durch den Bischof und andererseits im Blick auf die Lehrkräfte durch das Erfordernis einer „Missio canonica“. Voraussetzungen für ihren Erhalt wie auch das Vergabe- und ggf. Entzugsverfahren sind geregelt in der „Ordnung für die Verleihung, die Rückgabe und den Entzug der Missio canonica für Lehrkräfte des Faches Katholische Religionslehre in der Diözese Rottenburg-Stuttgart[19], auch Missio-Ordnung genannt. Drittens bedürfen die Unterrichtswerke für den katholischen Religionsunterricht einer kirchlichen Zulassung. Hier greift die „Verfahrensordnung für die kirchliche Zulassung von Unterrichtswerken für den katholischen Religionsunterricht[20]  der Deutschen Bischofskonferenz. Die Zulassungsordnung wurde 2018 novelliert, nach Aussage der Schulbuchkommission der DBK bisher aber noch nicht in den diözesanen Amtsblättern veröffentlicht.

Die Dienstaufsicht über kirchliche Religionslehrkräfte und die Fachaufsicht über den gesamten katholischen Religionsunterricht nehmen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Schuldekane wahr. Ihre Tätigkeit ist in einer eigenen Ordnung für Schuldekane geregelt.[21] Die Schuldekanatämter sind Außenstellen der Hauptabteilung IX – Schulen des Bischöflichen Ordinariats, d. h. sie sind nicht Einrichtungen des jeweiligen Dekanats, sondern des Bischöflichen Ordinariats im Dekanat. Das Verhältnis zwischen Dekanaten und Schuldekanatämtern ist in der „Rahmenordnung zu Kooperation zwischen Dekanaten und Schuldekanatämtern[22] geregelt.

Neben dem staatlichen Referendariat zur Erlangung der Lehrbefähigung für einzelne Schularten, gibt es für Studierende mit den Abschlüssen Diplom in Kath. Theologie, bzw. Magister/Magistra theologiae die Möglichkeit, ein kirchliches Referendariat für allgemeinbildende Gymnasien oder für berufliche Schulen zu absolvieren. Die entsprechenden Anforderungen sind in der „Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart über den Vorbereitungsdienst und die kirchliche Prüfung für das Lehramt als Religionslehrerin/Religionslehrer an allgemeinbildenden Gymnasien[23] und in der „Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart über den Vorbereitungsdienst und die kirchliche Prüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen[24].

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart investiert jedes Jahr viel Geld in die Durchführung und Qualitätssicherung des Religionsunterrichtes. Genaue Informationen dazu finden sich in den Haushaltsplänen der Diözese Rottenburg-Stuttgart im Budgetkreis B 140 für die öffentlichen Schulen und im Budgetkreis B 141 für die katholischen Schulen. Ein Teil dieser Investitionen wird den Kirchen vom Land Baden-Württemberg aufgrund der „Vereinbarung über die Ersatzleistungen des Landes für den durch kirchliche Lehrkräfte an öffentlichen Schulen erteilten Religionsunterricht[25] zurückerstattet.

Autor: Klaus Hilbert, zuletzt aktualisiert am: 01.04.2022.

Fußnoten

[1] Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Teilnahme am Religionsunterricht, Verwaltungsvorschrift v. 21.12.2000, Az. 41–6520.40/326, zuletzt geändert am 15.05.2009, Nr. 1.1.

[2] Vgl. ebd., Nr. 1.2.

[3] Vgl. dazu ebd., Nr. 2 f.

[4] Vgl. ebd., Nr. 3.

[5] Vgl. Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg, Urteil. v. 03.05.2018 – 9 S 653/16.

[6] Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil v. 29.04.2019 – 6B 141.18.

[7] Vgl. Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Teilnahme am Religionsunterricht, Verwaltungsvorschrift v. 21.12.2000 (Anm. 1).

[8] Vgl. Die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD), Zur Kooperation von Evangelischem und Katholischem Religionsunterricht, in: Konfessionelle Kooperation im Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg, hg. v. Evangelische Landeskirche in Baden, Evangelische Landeskirche in Württemberg, Erzdiözese Freiburg und Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stuttgart 2017, 4–7.

[9] Vgl. Vereinbarung der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Erzdiözese Freiburg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur konfessionellen Kooperation im Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen vom 1. März 2005, in: Konfessionelle Kooperation (Anm. 8), 8–11.

[10] Vgl. Verbindlicher Rahmen für den konfessionell-kooperativ erteilten Religionsunterricht an Grundschulen, Hauptschulen/Werkrealschulen, Realschulen, Gemeinschaftsschulen und allgemeinbildenden Gymnasien, in: Konfessionelle Kooperation (Anm. 8), 12–14.

[11] Vereinbarung 2005 (Anm. 9), 8.

[12] Vgl. ebd., 12 f.

[13] Vgl. Sekretariat der DBK (Hg.), Der Religionsunterricht vor neuen Herausforderungen (Die deutschen Bischöfe Nr. 80), Bonn 62017.

[14] Vgl. Sekretariat der DBK (Hg.), Die Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts. Empfehlungen für die Kooperation des katholischen mit dem evangelischen Religionsunterricht (Die deutschen Bischöfe Nr. 103), Bonn 2016.

[15] Vgl. Vereinbarung 2015 (Anm. 10).

[16] Vgl. Ordnung des Religionsunterrichts, in ABl. Rottenburg-Stuttgart 31 (1972), 118–120.

[17] Vgl. Dienstordnung für Religionslehrer/innen, Religionspädagogen grad., Katecheten/innen und Gemeindereferenten/innen sowie nebenberufliche Religionslehrer/innen und Gemeindereferenten/innen mit mindestes einem halben Auftrag, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 35 (1980) 230–231.

[18] Vgl. Schulordnung für Religionslehrer aller Schularten, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 34 (1977) 122 f.

[19] Vgl. Ordnung für die Verleihung, die Rückgabe und den Entzug der Missio canonica für Lehrkräfte des Faches Katholische Religionslehre in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Missio-Ordnung), in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 49 (2005) 244–246.

[20] Vgl. Verfahrensordnung für die kirchliche Zulassung von Unterrichtswerken für den katholischen Religionsunterricht, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 47 (2002) 137–140.

[21] Vgl. Ordnung für Schuldekane, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 51 (2007) 91–93.

[22] Vgl. Rahmenordnung zu Kooperation zwischen Dekanaten und Schuldekanatämtern, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 51 (2007) 90.

[23] Vgl. Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart über den Vorbereitungsdienst und die kirchliche Prüfung für das Lehramt als Religionslehrerin/Religionslehrer an allgemeinbildenden Gymnasien, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 54 (2010) 181–190.

[24] Vgl. Ausbildungs- und Prüfungsordnung der Diözese Rottenburg-Stuttgart über den Vorbereitungsdienst und die kirchliche Prüfung für das Lehramt an beruflichen Schulen, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 60 (2016) 186–195.

[25] Vgl. Vereinbarung über die Ersatzleistungen des Landes für den durch kirchliche Lehrkräfte an öffentlichen Schulen erteilten Religionsunterricht, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 59 (2015) 225–257.