Ordnung für die Wahl von Kirchengemeinderäten und Pastoralräten – Wahlordnung (WahlO) –

1. Hinführung

In Kirchengemeinde- und Pastoralräten können die Gläubigen aktiv an der Leitung der Gemeinden mitwirken. Gewählt werden sie alle 5 Jahre. Die letzte Wahl fand 2020 statt. Während dies bereits die elfte Wahl der Kirchengemeinderäte in der Diözese war, wurden die Pastoralräte erst zum vierten Mal gewählt. Diese vertreten die Katholiken anderer Muttersprachen und wurden erst 2001 errichtet. Wahlberechtigt waren in den 1020 Kirchengemeinden und 100 Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprachen der Diözese rund 1.6 Millionen Gläubige.

Die Wahlordnung fußt auf der Kirchengemeindeordnung (➜ Kommentar) und hat damit folglich denselben Geltungsbereich: Sie gilt für alle Kirchengemeinden der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Körperschaften öffentlichen Rechts sind, und für alle Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache, die keine solche Rechtsverfassung haben, sondern einer Kirchengemeinde als Belegenheitsgemeinde zugeordnet sind.

2. Vorbereitung der Wahl

Der Kirchengemeinderat ist das Leitungsgremium der Kirchengemeinde und daher auch für die Wahl verantwortlich (§ 2). Das wichtigste und zugleich wohl heikelste Thema dabei ist, die Anzahl der Sitze im neu zu wählenden Kirchengemeinderates festzulegen. Die KGO benennt lediglich eine Mindestzahl, abhängig von der Zahl der Gemeindemitglieder, sodass diese Anzahl der Sitze nach oben offen ist. Da die Gemeinden die Zahl manchmal zu hoch, manchmal zu niedrig ansetzen, können sie die festgelegte Zahl ausnahmsweise bis acht Wochen vor der Wahl noch einmal korrigieren (§ 2).

Sechs Monate vor der Wahl beruft der Kirchengemeinderat einen Wahlausschuss (§ 3 Abs. 1), der wie ein Sachausschuss des Kirchengemeinderats funktioniert (§§ 37-40 KGO). Der Wahlausschuss besteht insgesamt aus fünf Personen (Vorsitzende/r; Stellvertreter/in; drei Beisitzende) (§ 3 Abs. 2). Der Wahlausschuss agiert in der Regel am Wahltag auch als Wahlvorstand und kann in einem Wahllokal die Aufgaben des Wahlvorstandes übernehmen (§ 7 Abs. 5).

Die Wahlvorschläge werden von den wahlberechtigten Gemeindemitgliedern eingereicht (§ 4). „Ein Vorschlag bedarf der Unterschrift von mindestens fünf wahlberechtigten Kirchengemeindemitgliedern“ (§ 4 Nr. 1), wobei jede/r Wahlberechtigte insgesamt nur einen Wahlvorschlag unterstützen darf; die Unterstützung der eigenen Kandidatur ist nicht möglich (§ 4 Nr. 2). Vorgeschlagene Personen müssen dem sie betreffenden Wahlvorschlag schriftlich zustimmen (§ 4 Nr. 4). Zudem darf ein Wahlvorschlag „höchstens so viele Kandidierende enthalten, wie gewählte Mitglieder im bisherigen Kirchengemeinderat sind“ (§ 4 Nr. 3).

Wichtig dabei ist, nicht nur Personen vorzuschlagen, die aus dem engsten Kreis der Gemeinde kommen, damit der Kirchengemeinderat nicht zu einem „Insidergremium“ wird. Es ist daher sinnvoll, die Gemeinde gut und transparent über die Arbeit des Kirchengemeinderats und die bevorstehende Wahl zu informieren. Zwar sind die Sitzungen des Kirchengemeinderats öffentlich, aber es nehmen nur selten Gäste daran teil.

„Die eingegangenen Wahlvorschläge sollen mindestens zwei Kandidierende mehr enthalten, als Mitglieder in den Kirchengemeinderat zu wählen sind“ (§ 5 Abs. 2). Bis zur Neufassung der Wahlordnung, die am 01.03.2019 in Kraft getreten ist, war dies noch eine Muss-Vorschrift. Deshalb konnte 2015 in 65 Kirchengemeinden kein Kirchengemeinderat gewählt werden, weil es nicht genügend Kandidierende gab: Nach der neuen Ordnung darf nun auch dann gewählt werden, wenn die Zahl der Sitze und die Zahl der Kandidierenden übereinstimmen (§ 5 Abs. 2). 2020 zeigte diese Änderung bereits positive Resultate: Bei der Wahl am 22. März 2020 konnten nur 24 Kirchengemeinden nicht wählen.

Kirchengemeinden und Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache haben die Möglichkeit, bei einer Katholikenzahl bis 1500 eine Wahl ohne Bindung durchzuführen, wenn sich mindestens drei Kandidierende zur Wahl stellen (§ 5 Abs. 3). „Ohne Bindung“ meint dabei ohne Bindung an den endgültigen Wahlvorschlag. Man kann also zusätzlich Personen auf den Stimmzettel eintragen und wählen. Wer auf diese Weise mehr als 5 Stimmen erhält, ist bei der Auszählung zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 2). Wird eine Person so in den Kirchengemeinderat gewählt, muss sie seiner/ihrer Wahl vor Veröffentlichung der Wahlergebnisse zustimmen (§ 14 Abs. 4).

Der Vorschlag, eine Wahl ohne Bindung für alle Kirchengemeinden unabhängig von deren Größe zu ermöglichen, bekam bei der Reform der Wahlordnung keine Mehrheit. Eine Wahl ohne Bindung für alle Kirchengemeinden und Gemeinden würde es aber ermöglichen, den demokratischen Charakter der Wahl auch da zu erhalten bzw. zu steigern, wo nach der Reform 2019 auch gewählt werden kann, selbst wenn nicht mehr Kandidierende als Sitze zur Wahl stehen. Denn ansonsten ist jede Person auf der Liste mit bereits einer einzigen Stimme gewählt. Angesichts dieser „Bestätigungswahl“, die 2020 zum ersten Mal möglich war, merkten einige Wahlausschussmitglieder kritisch an, dass die Motivation, die Wahl zu organisieren und zur Wahl zu gehen, sinke, wenn die Zahl der Kandidierenden und die Zahl der Sitze gleich sei. Eine Wahl ohne Bindung würde hingegen wieder zu mehr Bewegung führen.

Die gesamte Wahlordnung wie auch die Kirchengemeindeordnung orientieren sich an den kommunalen Ordnungen. Abweichend von der kommunalen Wahlordnung können für den Kirchengemeinderat und Pastoralrat aber auch Personen kandidieren, die nicht im Gebiet der Gemeinde wohnen. Sie sind aber auf dem Stimmzettel als Kandidierende von auswärts zu kennzeichnen. Max. zwei Fünftel des Kirchengemeinderates dürfen aus Personen bestehen, die einer anderen Kirchengemeinde angehören (§ 23 Abs. 1 KGO). Auch diese Zahl wurde in der Reform von 2019 erhöht.

3. Durchführung der Wahl

In der Diözese Rottenburg-Stuttgart wählen alle Kirchengemeinden und Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache am selben Tag. In Ausnahmefällen kann die Bischöfliche Aufsicht eine Gemeinde aber „von der Teilnahme an der allgemeinen Wahl ausnehmen oder die Teilnahme absagen, wenn dies aus pastoralen oder rechtlichen Gründen erforderlich ist“ (§ 6 Abs. 2), etwa weil eine konfliktreiche Situation vorherrscht oder ein neuer Pfarrer in Kürze antritt und die Wahl erst danach erfolgen soll. In der Praxis ist es aber noch nie vorgekommen, dass eine Wahl seitens der Bischöflichen Aufsicht abgesagt wurde. Vereinzelt vorgekommen ist hingegen, dass eine Kirchengemeinde mit Erlaubnis der Bischöflichen Aufsicht die Wahl verschoben hat, da zuerst ein Konflikt gelöst werden musste oder der Amtsantritt eines neuen Pfarrers abgewartet werden sollte.

Die Wahl findet immer an einem Sonntag statt; den genauen Termin bestimmt die Bischöfliche Aufsicht (§ 6 Abs. 1 und 3). Der Wahlausschuss in der Kirchengemeinde kann aber entscheiden, das Wahllokal auch bereits am Samstag zu öffnen. Insgesamt müssen die Wahlräume mindestens zwei Stunden lang geöffnet sein (§ 6 Abs. 3).

Wird in mehreren Wahlräumen gewählt, braucht es pro Wahlraum grundsätzlich einen eigenen Wahlvorstand (Vorsitzende/r; Stellvertreter/in; zwei Beisitzende) (§ 7 Abs. 1); wenn sich die Öffnungszeiten der verschiedenen Wahlräume allerdings nicht überschneiden, kann auch derselbe Wahlvorstand alle Wahlhandlungen leiten (§ 7 Abs. 3). Aufgabe des Wahlvorstandes ist es, für den korrekten Ablauf der Wahlen zu sorgen (§ 7 Abs. 7-10)

Welche Personen wahlberechtigt sind, regelt nicht die Wahlordnung, sondern die KGO. Demnach gilt: Wahlberechtigt sind Kirchengemeindemitglieder, „die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben und in der Kirchengemeinde seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz haben“ (§ 25 Abs. 1) sowie ihr Wahlrecht nicht durch ein Gerichtsurteil verloren haben (§ 25 Abs. 2). Ausnahmen sind für Personen mit mehreren Wohnsitzen möglich (§ 25 Abs. 1). Das Wählerverzeichnis wird vom Ordinariat rechtzeitig zugestellt, immer in zweifacher Ausführung: eines zum Gebrauch, das andere zur Reserve. Bei der Wahl in mehreren Wahlräumen ist es zulässig, beglaubigte Kopien anzufertigen (§ 8).

Bei der Wahl verfügen die Wahlberechtigten über genau „so viele Stimmen, wie Mitglieder in den Kirchengemeinderat zu wählen sind. Sie müssen nicht von allen Stimmen Gebrauch machen“ (§ 9 Abs. 2), können ihre Stimmen aber auch nicht auf eine Person kumulieren.

Es kann auf zwei Arten gewählt werden (§ 6 Abs. 4): durch persönliche Stimmabgabe (§ 10) oder durch Briefwahl (§§ 11f.). Beide Arten der Stimmangabe können auch mit Hilfe einer Vertrauensperson geschehen (§ 10 Abs. 3; 11 Abs. 3). Die allgemeine Briefwahl (§ 11) wird in der Diözese von fast 85 % der Gemeinden genutzt. In der Praxis führt dies zu einer höheren Wahlbeteiligung, da die Wähler/innen die Briefwahlunterlagen automatisch zugesandt bekommen und nur ausgefüllt zur Post bringen müssen. Bieten Gemeinden keine allgemeine, also automatische Briefwahl (§ 11) an, so können die Wahlberechtigten auf Antrag per Brief wählen (§ 12). Bei der Wahl 2020 haben sich 160 von 996 Kirchengemeinden für die Briefwahl auf Antrag entschieden. Bis zum 31. Oktober des Vorjahres vor der Wahl müssen die Gemeinden aus organisatorischen Gründen im Bischöflichen Ordinariat melden, ob sie Briefwahl auf Antrag oder allgemeine Briefwahl durchführen.

In der „Corona-Krise“ 2020 führte die allgemeine Briefwahl dazu, dass die Gemeinden bei der Wahl kaum zusätzliche organisatorische Probleme hatten. Angesichts dieser Erfahrung, in der kein Wahllokal geöffnet sein konnte, ist zu überlegen, ob die allgemeine Briefwahl nicht verpflichtend eingeführt werden sollte. Sie ist sozusagen „krisenfester“ als die Briefwahl auf Antrag, da sie in der Not ohne Wahllokal auskommt. Selbstverständlich muss ohne eine solche Krise auch bei allgemeiner Briefwahl immer ein Wahllokal geöffnet werden.

4. Feststellung des Wahlergebnisses

Das Wahlergebnis ermittelt der Wahlvorstand durch Auszählung (§ 13). Jeder Wahlvorstand führt ein eigenes Protokoll über das Ergebnis (§ 7 Abs. 7; § 13 Abs. 12). Bei mehreren Wahlvorständen ist einer von ihnen eigens für die Feststellung des Ergebnisses der Briefwahl zuständig (§ 7 Abs. 2). Die Stimmzählung ist öffentlich (§ 6 Abs. 5). „Der Wahlausschuss überprüft anhand der Wahlprotokolle die Stimmenzählung sowie die Entscheidungen des Wahlvorstandes und stellt das Wahlergebnis endgültig fest. Gewählt sind in der Reihenfolge der Stimmenzahl so viele Kandidierende, wie Mitglieder zum Kirchengemeinderat zu wählen sind“ (§ 14 Abs. 1). Kommt es zur Stimmengleichheit, entscheidet das Los (§ 14 Abs. 1). Alle überzählig Gewählten sind in der Reihenfolge der erreichten Stimmenzahl Ersatzmitglieder (§ 14 Abs. 4). Die bei einer Wahl ohne Bindung gewählten Personen müssen ihrer Wahl vor Veröffentlichung des Wahlergebnisses zustimmen (§ 14 Abs. 4).

Die Wahlergebnisse sind öffentlich bekannt zu geben, „durch Aushang und in ortsüblicher Weise“ (§ 14 Abs. 3). Die Formulierung „in ortsüblicher Weise“ wurde gewählt, um Wahlanfechtungen zu entgehen, die eine Veröffentlichung in einem bestimmten Medium einklagen. Des Weiteren sind die Wahlergebnisse dem Dekanat zu melden (§ 14 Abs. 4). Dank des neuen Computerprogramms, mit dem das Bischöfliche Ordinariat seit 2020 arbeitet, werden die Ergebnisse, die dem Dekanat übermittelt werden, auch sofort an das Bischöfliche Ordinariat weitergeleitet. So entstehen zeitgleich eine aussagekräftige Statistik sowie Mitteilungen für die Presse.

Nach Ablauf der Widerspruchsfrist sendet die Kirchengemeinde/Gemeinde das Protokoll des Wahlausschusses unterschrieben an die Dekanatsgeschäftsstelle, der Dekan prüft es und sendet das unterschriebene Original zum dortigen Verbleib an die Gemeinde zurück (§ 14 Abs. 5).

Autor: Christiane Bundschuh-Schramm, zuletzt aktualisiert am: 01.04.2022.