Rechtsstellung orientalischer Gläubiger

Die römisch-katholische Kirche setzt sich zusammen aus der lateinischen katholischen Kirche (lateinischen Kirche) mit dem Codex Iuris Canonici (CIC) als Gesetzbuch und den 23 orientalischen katholischen Kirchen (orientalischen Kirchen)[1], die ebenfalls ein eigenes Gesetzbuch haben, nämlich den Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium  (CCEO). Die orientalischen Kirchen sind – wie die lateinische Kirche – Teilkirchen eigenen Rechts, auch Eigenkirchen (Ecclesiae sui iuris) oder eigenberechtigte Kirchen genannt. Das heißt, sie leben und feiern den katholischen Glauben nach eigenem Recht und mit eigener Liturgie – nach eigenem Ritus[2], weshalb auch von Rituskirchen gesprochen wird.

1.    Übersicht über die orientalischen Kirchen

Während die lateinische Kirche nach dem (abendländisch-)lateinischen Ritus feiert, gibt es in den 23 orientalischen Kirchen verschiedene Riten:

  • zum (konstantinopolitanisch-)­byzantinischen Ritus gehören die Melkitische Griechisch-katholische Kirche[3], die Russische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Ukrainische (Griechisch-)­katholische Kirche[4], die Weißrussische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Slowakische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Ruthenische ([Griechisch-]­katholische) Kirche, die Rumänische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Bulgarische (Griechische-)­katholische Kirche, die Ungarische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Kroatische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Serbische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Albanische (Griechisch-)­katholische Kirche, die Mazedonische (Griechisch-)­katholische Kirche und die Italo-Albanische Kirche[5];
  • zum antiochenischen Ritus gehören die Syrisch-Katholische Kirche und die Syro-Malankara Katholische Kirche[6];
  • zum maronitischen Ritus gehört die (Syrisch-)­Maronitische Kirche;
  • zum armenischen Ritus gehört die Armenisch-Katholische Kirche;
  • zum syro-mesopotamischen/chaldäischen Ritus gehört die Chaldäische (Katholische) Kirche;
  • zum syro-malabarischen Ritus gehört die Syro-Malabarische Kirche[7] und
  • zum alexandrinischen Ritus gehört die Koptisch-Katholische Kirche (koptischer Ritus), die Äthiopisch-Katholische Kirche sowie die Eritreisch-Katholische Kirche (äthiopischer/Ge‘ez-Ritus).

Bei den orientalischen Kirchen sind drei Kategorien von Eigenkirchen zu unterscheiden:

  • die patriarchalen Kirchen (ihnen steht ein Patriarch vor) und die ihnen im Wesentlichen gleichgestellten großerzbischöflichen Kirchen (ihnen steht ein Großerzbischof vor),
  • die metropolitanen Kirchen (ihnen steht ein Metropolit vor) und
  • die übrigen Eigenkirchen (sie hängen unmittelbar vom Apostolischen Stuhl in Rom ab).[8]

2.    Besonderheiten einzelner orientalischer Kirchen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Für die Gläubigen der Ukrainischen (Griechisch-)­katholische Kirche, der Chaldäischen (Katholischen) Kirche und der Eritreisch-Katholischen Kirche bestehen in der Diözese besondere rechtliche Strukturen.

2.1    Ukrainische (Griechisch-)katholische Kirche

Nur die Ukrainische (Griechisch-)­katholische Kirche (Großerzbischöfliche Kirche) hat in Deutschland eine eigene Hierarchie (Apostolische Exarchie), d. h. einen für die Angehörigen dieser Kirche deutschlandweit zuständigen Bischof (Exarchen) mit Sitz in München. Für die ukrainischen (griechisch-)­katholischen Christen, die in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ihren Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben, wurde vom zuständigen ukrainischen (griechisch-)­katholischen Bischof (Exarchen) mit Dekret vom 12.01.2008 eine Personalgemeinde gemäß can. 279, 280 und 313 CCEO errichtet, die das gesamte Gebiet der Diözese Rottenburg-Stuttgart umfasst (Personalpfarrei „Heiliger Basilius der Große“ Stuttgart).[9]

2.2   Chaldäische (Katholische) Kirche

Zwar haben die chaldäischen (katholischen) Christen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart keine eigene Hierarchie, wodurch der Diözesanbischof von Rottenburg-Stuttgart Ersatzbischof ist, sehr wohl verfügen sie aber über eigene chaldäische (katholische) Seelsorger. Für alle chaldäischen (katholischen) Gläubigen, die im Gebiet der Diözese ihren Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben, hat der Diözesanbischof von Rottenburg-Stuttgart ebenfalls eine Personalgemeinde (can. 518 CIC) errichtet – die Chaldäische (Katholische) Gemeinde „Mar Shimon Bar Sabai“ Stuttgart.[10] Aufgrund seines Amtes hat der Pfarrer dieser Gemeinde für seine Gläubigen Trauungsvollmacht. Der Pfarrer der jeweiligen Kirchengemeinde vor Ort (sog. Territorialpfarrei), in der die chaldäischen Katholiken unmittelbar wohnen, ist für Trauungen nicht zuständig (can. 1109 CIC und can. 829 § 1 CCEO).

2.3    Eritreisch-Katholische Kirche

Auch die eritreisch-katholischen Gläubigen haben in der Diözese Rottenburg-Stuttgart keine eigene Hierarchie; auch bei ihnen ist der Diözesanbischof von Rottenburg-Stuttgart Ersatzbischof. Wie die chaldäischen Katholiken verfügen aber auch sie über eigene Seelsorger. Für alle eritreisch-katholischen Gläubigen, die in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ihren Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben, wurde eine Quasipfarrei (can. 516 § 1 CIC) errichtet, die Eritreisch-Katholische Gemeinde „Sankt Justin de Jacobis“ Stuttgart.[11] Für diese Quasipfarrei gelten die Richtlinien für die Pastoral mit Katholiken anderer Muttersprache in den Seelsorgeeinheiten der Diözese Rottenburg-Stuttgart (➜ Kommentar).[12]

2.4    Sonstige orientalische Kirchen

Außer den Gläubigen der Ukrainischen (Griechisch-)­katholischen Kirche haben in der Diözese Rottenburg-Stuttgart die Gläubigen aller orientalischen Kirchen keine eigene Hierarchie, das heißt keinen für sie zuständigen Exarchen (Bischof). Ihre Rechtsstellung bestimmt sich durch das „Dekret der Kongregation für die orientalischen Kirchen vom 30.11.1994"[13]. Dort heißt es, dass die Gläubigen der Patriarchalkirchen und der Großerzbistümer, welche keinen Hierarchen des eigenen Ritus besitzen, der Jurisdiktion des lateinischen Ortsordinarius (Diözesanbischof oder sein Vertreter)[14] unterstehen, und zwar „unbeschadet der diesbezüglichen Fakultät der Oberhäupter des betreffenden Ritus, […] anders zu entscheiden“. Außerdem erklärt die Kongregation für die orientalischen Kirchen, dass gemäß can. 916 § 5 CCEO die lateinischen Ordinarien, jeder für seinen eigenen Jurisdiktionsbereich, zugleich die Hierarchen aller Gläubigen der übrigen orientalischen katholischen Kirchen sind.[15]

3.    Sakramente

Die Riten der orientalischen Kirchen sollen bewahrt und gefördert werden (can. 39 CCEO). Werden Seelsorger der lateinischen Kirche von orientalischen Katholiken um die Spendung der Sakramente gebeten, haben sie daher zu prüfen, ob das Anliegen nicht zunächst von einem für diese Gläubigen zuständigen orientalischen Geistlichen erfüllt werden kann. In der Regel gilt aber: Angehörige der orientalischen Kirchen können die Sakramente auch in der lateinischen Kirche (nach lateinischem Ritus) gültig empfangen.[16] Für die Erlaubtheit (und manchmal für die Gültigkeit der Sakramentenspendung durch lateinische Geistliche sind jedoch in manchen Fällen, Besonderheiten zu berücksichtigen. Da in Deutschland außer der Ukrainischen (Griechisch-)­katholischen Kirche keine andere orientalische Kirche über eine eigene Hierarchie verfügt, müssen auch den orientalischen Priestern zur Erlaubtheit und gegebenenfalls auch zur Gültigkeit ihres Handelns Befugnisse durch den lateinischen Diözesanbischof oder den zuständigen lateinischen Ortspfarrer übertragen werden.

3.1    Taufe

Die Taufe soll nach den liturgischen Vorschriften der orientalischen Kirche gefeiert werden, in welche der Täufling eingegliedert werden soll (can. 683 CCEO). Daher kommt einem Priester derjenigen orientalischen Kirche, in welche der Täufling aufgenommen werden soll, der Vorrang als Taufspender gegenüber dem lateinischen Geistlichen zu. Wenn aber ein lateinischer Geistlicher die Taufe nach dem lateinischen Ritus spendet, wird der Täufling trotzdem in die jeweilige orientalische Kirche eingegliedert.[17]

Wie in der lateinischen Kirche (can. 872 CIC) (➜ Kommentar „Taufe“) soll auch in den orientalischen Kirchen (can. 684 CCEO) dem Täufling nach Möglichkeit ein Pate gegeben werden. Ein lateinischer Gläubiger kann die Patenschaft bei einer orientalischen Taufe übernehmen (can. 685 § 1 Nr. 2 CCEO), jedoch empfiehlt sich aufgrund der Aufgabe des Paten (Beistand bei der Initiation in die eigene Rituskirche), dass ein/e Gläubige/r der jeweiligen orientalischen Kirche das Patenamt übernimmt.

Da – mit Ausnahme der ukrainischen katholischen Gläubigen – ausschließlich der lateinische Diözesanbischof mit der Seelsorge für die orientalischen Katholiken bevollmächtigt ist, bedarf der lateinische Priester, der die Taufe spendet, der ausdrücklichen Erlaubnis des lateinischen Diözesanbischofs. Steht ein Priester der betreffenden orientalischen Kirche als Taufspender zur Verfügung, braucht es nur die Erlaubnis des lateinischen Ortspfarrers (can. 862 CIC), der diese Erlaubnis jedoch nicht verweigern darf (can. 678 § 1 CCEO).

3.3   Firmung (Myronsalbung)

Normalerweise empfangen die orientalischen Katholiken die Firmung (Myronsalbung) zusammen mit dem Sakrament der Taufe. Denn nach dem Recht der orientalischen Kirchen muss die Firmung (Myronsalbung) verbunden mit der Taufe gespendet werden; nur bei einer echten Notlage darf die Taufe allein gespendet werden, wobei dann dafür zu sorgen ist, dass die Firmung (Myronsalbung) möglichst bald nachgeholt wird (can. 695 § 1 CCEO). Das Recht der orientalischen Kirchen sieht wegen der üblicherweise gemeinsamen Spendung beider Sakramente keinen eigenen Firmpaten (neben dem Taufpaten) vor.

In der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist es möglich, dass orientalische Gläubige (Jugendliche) an der Firmvorbereitung der lateinischen Gläubigen (Jugendlichen) (➜ Kommentar „Firmung“) teilnehmen. Bei der Feier der Firmung können orientalische Katholiken dann vom Firmspender, der vorher zu informieren ist, einen Segen erhalten.

3.3    Eucharistie

Das Sakrament der Eucharistie wird von den Angehörigen der orientalischen Kirchen in der lateinischen Kirche erlaubt empfangen (can. 403 § 1 CCEO). Auch die Gläubigen der lateinischen Kirche können in jedem orientalischen Ritus an der Eucharistie teilnehmen und die heilige Kommunion empfangen (can. 923 CIC).

Nach dem Recht der orientalischen Kirchen soll Kindern „möglichst bald“ nach der Taufe und der Firmung (Myronsalbung) die Eucharistie gespendet werden, jedoch unter Beachtung der liturgischen Vorschriften der jeweiligen orientalischen Kirche (can. 697710 CCEO). Beispielsweise wird in der Chaldäischen (Katholischen) Kirche den Kindern die Erstkommunion erst im Alter von ungefähr zehn Jahren gespendet.

Es ist ohne weiteres möglich, dass orientalische Kinder am Erstkommunionunterricht gleichaltriger lateinischer Kinder und auch an der Feier der Erstkommunion teilnehmen. Für die orientalischen Kinder ist es dann die erste feierliche Kommunion.

Gemäß can. 701 CCEO kann die Konzelebration zwischen Bischöfen und Priestern verschiedener eigenberechtigter Kirchen aus einem gerechten Grund mit Erlaubnis des Eparchialbischofs geschehen. Dies gilt entsprechend für lateinische Bischöfe und Priester, die mit Geistlichen einer orientalischen Kirche zelebrieren wollen.[18]

3.4    Buße

Das Bußsakrament können orientalische Gläubige auch bei lateinischen Priestern empfangen (can. 991 CIC). Im Gegensatz zur lateinischen Kirche (can. 964 §§ 1 und 3 CIC) (➜ Kommentar „Buße, Ablass“) ist nach der Tradition der orientalischen Kirchen als Ort für die Beichte kein Beichtstuhl vorgesehen, sondern der Kirchenraum selbst, wobei aus gerechtem Grund das Sakrament auch an einem anderen geeigneten Ort gespendet werden kann (can. 736 §§ 1 und 2 CCEO).

Während in der lateinischen Kirche der Erlass der Exkommunikation wegen Abtreibung durch den Beichtvater möglich ist[19], ist es nach dem Recht der orientalischen Kirchen dem Eparchialbischof (Diözesanbischof) vorbehalten, von der Sünde der Abtreibung loszusprechen (can. 728 § 2 CCEO).

3.5    Krankensalbung

Das Sakrament der Krankensalbung (➜ Kommentar „Krankensalbung“) können orientalische Gläubige auch von lateinischen Priestern empfangen. Wie im Gesetzbuch der lateinischen Kirche (can. 1003 § 1 CIC) wird auch im Gesetzbuch der orientalischen Kirchen ausdrücklich bestimmt, dass alle Priester die Krankensalbung gültig spenden können (can. 739 § 1 CCEO). Was die Erlaubtheit der Spendung betrifft, gilt sowohl gemäß lateinischem als auch orientalischem Recht, dass die Spendung der Krankensalbung zunächst durch den Priester geschehen soll, der für den betreffenden Gläubigen aufgrund seines Amtes (zum Beispiel als Pfarrer) zuständig ist; aus vernünftigem Grund darf aber auch jeder andere Priester mit der wenigstens vermuteten Zustimmung des zuständigen Geistlichen das Sakrament spenden (can. 1003 § 2 CIC, can. 739 § 2 CCEO).

3.6    Ehe

Was die Eheschließungsform betrifft, sind nach dem Recht der orientalischen Kirchen nur jene Eheschließungen gültig, die im heiligen Ritus (ritus sacer) gefeiert werden. Der heilige Ritus sieht vor, dass neben zwei Zeugen auch ein Priester (ein Diakon ist nicht ausreichend) bei der Eheschließung anwesend ist und den zur Gültigkeit der Eheschließung erforderlichen Brautsegen erteilt (can. 828 §§ 1 und 2 CCEO). Eine Dispens (Ausnahme) von dieser Eheschließungsform kann nur aus einem sehr schwerwiegenden Grund vom Apostolischen Stuhl oder dem Patriarchen gewährt werden (can. 835 CCEO) – also nicht vom lateinischen Diözesanbischof, der für orientalische Gläubige Ersatzbischof ist.

Bei der Eheschließung eines lateinischen Gläubigen (➜ Kommentar „Ehe“) mit einem orientalischen Partner (Ritusverschiedenheit) kann die Eheschließung entweder nach dem Ritus der lateinischen oder dem der orientalischen Kirche erfolgen. Erfolgt die Trauung nach dem lateinischen Ritus, ist aber darauf zu achten, dass ein lateinischer Priester den Trausegen spendet. Das gilt auch für eine Trauung von zwei orientalischen Partnern nach lateinischem Ritus durch einen lateinischen Priester (can. 1108 § 3 CIC; can. 828 § 1 CCEO). Außerdem ist für alle Eheschließungen mit mindestens einem orientalischen Partner nach der Anmerkungstafel zum amtlichen Ehevorbereitungsprotokoll der Deutschen Bischofskonferenz (Nr. 22e) das Nihil obstat des Bischöflichen Ordinariats erforderlich.

Für eine Trauung von zwei orientalischen Katholiken, für die der lateinische Diözesanbischof Ersatzbischof ist, benötigt der trauende lateinische oder orientalische Priester zur Gültigkeit der Eheschließung eine Delegation der Trauungsvollmacht durch den lateinischen Diözesanbischof (can. 916 § 5 CCEO). Denn gemäß can. 1109 CIC und can. 829 § 1 CCEO unterstehen die orientalischen Katholiken nur dem lateinischen Diözesanbischof, nicht aber einem lateinischen oder orientalischen Priester.[20] Der Bischof von Rottenburg-Stuttgart hat aber per Dekret[21] seine Trauungsvollmacht bei orientalischen Gläubigen allgemein dem gegenwärtigen Offizial für die Dauer von dessen Amtszeit delegiert, mit dem Recht der Subdelegation im Einzelfall.

Unter den üblichen Voraussetzungen (➜ Kommentar „Ehe“) kann auch nach dem orientalischen Recht durch den Ortsordinarius vom Ehehindernis der Religionsverschiedenheit (can. 803 § 1 CCEO) dispensiert werden (can. 803 § 3 in Verbindung mit can. 814 CCEO). Im Gegensatz zur lateinischen Kirche gibt es aber nach dem orientalischen Kirchenrecht das Ehehindernis der geistlichen Verwandtschaft, das zwischen dem Paten und dem Täufling sowie dem Paten und den Eltern des Täuflings besteht (can. 811 § 1 CCEO). Auch erstreckt sich das Hindernis der Schwägerschaft in den orientalischen Kirchen nicht nur wie in der lateinischen Kirche auf die gerade Linie (can. 1092 CIC), sondern auf den zweiten Grad der Seitenlinie (can. 809 § 1 CCEO).

4.    Verfahren zur Eheungültigkeitserklärung und Eheauflösung

Die Ukrainische (Griechisch-)­katholische Kirche hat zwar in Deutschland eine eigene Hierarchie, aber kein eigenes kirchliches Gericht. Zuständig ist als Gericht erster Instanz das Interdiözesane Offizialat Erfurt und in zweiter Instanz das Erzbischöfliche Konsistorium und Metropolitangericht München. Für die Gläubigen aller anderen orientalischen Kirchen sind die Gerichte der lateinischen Kirche zuständig, und zwar nach den Zuständigkeitsregeln der lateinischen Kirche (can. 1672 CIC), die aber mit den Regeln der orientalischen Kirchen übereinstimmen (can. 1358 CCEO).

Die Gerichte der lateinischen Kirche führen die Verfahren nach dem Eheprozessrecht der lateinischen Kirche (➜ Kommentar „Ehe“). Sie müssen aber, was das Recht über die Ungültigkeit von Ehen betrifft (materielles Eherecht), das Recht der orientalischen Kirchen anwenden (Art. 16 § 2 DC), das vom lateinischen Recht abweichen kann. Beispielsweise macht nach dem materiellen Eherecht der orientalischen Kirchen jede Bedingung, die bei der Eheschließung gesetzt wird, diese ungültig (can. 826 CCEO), während nach dem Recht der lateinischen Kirche Bedingungen, die sich auf die Vergangenheit oder Gegenwart beziehen, grundsätzlich möglich sind und die Ehe dann gültig oder ungültig ist, je nachdem, ob die Bedingung erfüllt ist oder nicht (can. 1102 § 2 CIC).

5.    Kirchliches Meldewesen und Kirchenbuchführung

Was das kirchliche Meldewesen betrifft, so werden auch die Gläubigen aller orientalischen Kirchen mit dem Konfessionsmerkmal „römisch-katholisch (rk)“ geführt. Es wird also nicht zwischen den Rituskirchen unterschieden.

Zur Kirchenbuchführung: Für die ukrainischen (griechisch-)­katholischen Christen in der Diözese erfolgen die Eintragungen der kirchlichen Amtshandlungen mit fortlaufender Nummer (Haupteintrag zum Nachweis der Amtshandlung) in den Büchern der ukrainischen (griechisch-)­katholischen Personalgemeinde. Zusätzlich erfolgt noch ein Eintrag ohne fortlaufende Nummer (Nebeneintrag) in den Büchern der jeweiligen lateinischen Ortsgemeinde, und dies, obwohl die Ukrainische (Griechisch-)­katholische Kirche in Deutschland eine eigene Hierarchie hat.[22]

Was die Chaldäische (Katholische) Kirche betrifft, so erfolgen die Eintragungen der kirchlichen Amtshandlungen mit fortlaufender Nummer in den Büchern der eigens errichteten chaldäischen (katholischen) Personalgemeinde sowie ohne fortlaufende Nummer auch in den Büchern der jeweiligen lateinischen Ortsgemeinde.

Die von den Geistlichen der Eritreisch-Katholischen Kirche vorgenommenen Amtshandlungen werden mit fortlaufender Nummer in die Kirchenbücher der jeweiligen lateinischen Ortsgemeinde eingetragen und nur ohne fortlaufende Nummer in die Kirchenbücher der eritreisch-katholischen Gemeinde.[23] Grundlage für dieses Vorgehen bilden die in Folge der Errichtung als Quasipfarrei geltenden Richtlinien für die Pastoral mit Katholiken anderer Muttersprache in den Seelsorgeeinheiten der Diözese Rottenburg-Stuttgart (➜ Kommentar).[24]

Bei Amtshandlungen von Geistlichen der lateinischen Kirche an Gläubigen der sonstigen orientalischen Kirchen, für die der lateinische Diözesanbischof Ersatzhierarch ist, erfolgen die Eintragungen mit fortlaufender Nummer in den Kirchenbüchern der jeweiligen örtlichen lateinischen Kirchengemeinde. Bei einer Taufe ist darauf zu achten, dass auch die Rituszugehörigkeit des Täuflings festgehalten wird, das heißt der Name der orientalischen Kirche, in die der Täufling durch die Taufe aufgenommen wurde (can. 37 CCEO).[25]

6.    Kirchengemeinderat

Nach der „Ordnung für die Kirchengemeinden und örtlichen kirchlichen Stiftungen – Kirchengemeindeordnung" (➜ Kommentar)[26] (KGO) der Diözese Rottenburg-Stuttgart haben alle orientalischen Gläubigen in der örtlichen lateinischen Kirchengemeinde aktives und passives Wahlrecht für den Kirchengemeinderat (§§ 25 und 26 KGO). Da sie im kirchlichen Meldewesen als „römisch-katholisch“ geführt werden, erhalten sie eine Wahlbenachrichtigung für die Kirchengemeinderatswahl der lateinischen Ortsgemeinde. Um ihren Kirchengemeinderat wählen zu können, verfügt die Chaldäische (Katholische) Personalgemeinde über eine eigene Mitgliederliste.[27]

Anders verhält es sich bei den eritreisch-katholischen Gläubigen, die in der Diözese Rottenburg-Stuttgart ihren Wohnsitz oder Nebenwohnsitz haben: Sie haben aktives und passives Wahlrecht für den Kirchengemeinderat der örtlichen lateinischen Gemeinde und zusätzlich für den Pastoralrat der Eritreisch-Katholischen Gemeinde „Sankt Justin de Jacobis“ Stuttgart, da für sie aufgrund der errichteten Quasipfarrei die Richtlinien für die Pastoral mit Katholiken anderer Muttersprache in den Seelsorgeeinheiten der Diözese Rottenburg-Stuttgart (➜ Kommentar)[28] gelten.

7.    Staatliches Meldewesen und Kirchensteuer

Sobald in Deutschland ein Wohnsitz begründet wird, muss bei der Anmeldung gegenüber den staatlichen Behörden das Konfessionsmerkmal angegeben werden. Gläubige der orientalischen Kirchen werden in den staatlichen Registern mit dem Konfessionsmerkmal „römisch-katholisch (rk)“ geführt, weil das staatliche Meldewesen nicht zwischen den katholischen Rituskirchen unterscheidet. Geben orientalische Gläubige gegenüber den staatlichen Behörden den Namen ihrer orientalischen Kirche (anstatt „römisch-katholische“ Kirche) an, werden sie fälschlicherweise oft als „keiner öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft angehörig (oa)“ geführt, weil keine der orientalischen Kirchen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art.140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 5 WRV) besitzt.

Die Gläubigen aller orientalischen Kirchen sind in der Diözese Rottenburg-Stuttgart kirchensteuerpflichtig. Die Kirchensteuer kommt der lateinischen Kirche zugute, und zwar auch die Kirchensteuer der Gläubigen der Ukrainischen (Griechisch-)­katholischen Kirche, obwohl diese Gläubige einen eigenen Hierarchen haben und nicht dem lateinischen Diözesanbischof als Ersatzhierarchen unterstellt sind.

Autor: Engelbert Frank, zuletzt aktualisiert am: 01.04.2022.

Fußnoten

[1] Die orientalischen Kirchen werden auch als „unierte Kirchen“ bezeichnet, da sie in voller Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl in Rom stehen. Von ihnen zu unterscheiden sind die orthodoxen Kirchen und die (alt-)­orientalisch-orthodoxen Kirchen, bei denen das nicht der Fall ist.

[2] Der Ritus ist das liturgische, theologische, geistliche und disziplinäre Erbe, das sich durch die Kultur und durch die geschichtlichen Ereignisse unterscheidet und sich durch die eigene Art des Glaubenslebens ausdrückt (can. 28 § 1 CCEO).

[3] Die Melkitische Griechisch-katholische Kirche wird auch als Melkitisch-Katholische Kirche, Griechisch-Katholische Kirche, Byzantinisch-Katholische Kirche im Nahen Osten und als Rum-Katholische Kirche bezeichnet.

[4] Die Ukrainische (Griechisch-)katholische Kirche wird auch als Kyiver Katholische Kirche bezeichnet.

[5] Die Italo-Albanische Kirche wird auch als Italo-Griechische Kirche bezeichnet.

[6] Die Syro-Malankara Katholische Kirche wird auch als Syro-Malankarische Kirche und als Malankarisch-Katholische Kirche bezeichnet.

[7] Die Syro-Malabarische Kirche wird auch als Malabarisch-Katholische Kirche bezeichnet.

[8] Zu den drei Kategorien der Eigenkirchen im Einzelnen vgl. Carl Gerold Fürst, Katholische Ostkirchen, in: Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht Bd. 2, Paderborn u. a. 2002, 404–406.

[9] Abgedruckt in: ABl. Ukrainischen (Griechisch-)katholischen Kirche in Deutschland und Skandinavien 1 (2010) 6.

[10] Vgl. Dekret zur Errichtung vom 01.10.2010, nicht im ABl. Rottenburg-Stuttgart veröffentlicht; geändert durch Dekret über die Änderung des Dekrets zur Errichtung der Chaldäischen Katholischen Gemeinde Stuttgart „Mar Shimon Bar Sabai“ vom 1. Oktober 2010, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 60 (2016) 214–215.

[11] Vgl. Dekret zur Errichtung vom 13.02.2006 (BO Nr. A 285), nicht im ABl. Rottenburg-Stuttgart veröffentlicht.

[12] Vgl. Richtlinien für die Pastoral mit Katholiken anderer Muttersprache in den Seelsorgeeinheiten der Diözese Rottenburg-Stuttgart, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 52 (2008) 253–259.

[13] Vgl. Kongregation für die orientalischen Kirchen, Dekret, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 43 (1995) 345.

[14] Zur genauen Definition des Begriffs „Ortsordinarius“ vgl. can. 134 § 2 in Verbindung mit can. 134 § 1 CIC.

[15] Die Aufgaben der vom Papst ernannten Apostolischen Visitatoren für Gläubige orientalischer Kirchen sind gemäß Ernennungsdekret ausdrücklich pastoraler und nicht jurisdiktioneller Natur.

[16] Die Sakramente sind nach dem eigenen Ritus des Spenders zu feiern (can. 846 § 2 CIC). Geistliche können aber vom Apostolischen Stuhl die Erlaubnis (Biritualismus-Indult) erhalten, Sakramente auch in einem anderen Ritus zu feiern (can. 674 § 2 CCEO). In der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es Priester, die diese Erlaubnis haben.

[17] Ein Kind, dass das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wird durch die Taufe in die Rituskirche aufgenommen, welcher der katholische Vater angehört; wenn aber die Mutter katholisch ist oder beide Elternteile es übereinstimmend wünschen, wird es in die Rituskirche aufgenommen, zu der die Mutter gehört (can. 29 § 1 CCEO).

[18] Vgl. Dimitros Salachas/Krzysztof Nitkiewicz, Rapporti interecclesiali tra cattolici orientali e latini. Sussidio canonico-pastorale, Rom 2007, 46.

[19] Auf den gemäß can. 1357 § 2 CIC erforderlichen Rekurs an den Diözesanbischof wurde inzwischen verzichtet. Papst Franziskus hat mit Schreiben vom 01.09.2015 allen Priestern für die Dauer des Außerordentlichen Heiligen Jahres der Barmherzigkeit 2015/16 die Vollmacht verliehen, kraft ihres Amtes jene loszusprechen, welche die Sünde der Abtreibung begangen haben. Diese Vollmacht hat Papst Franziskus mit dem Apostolischen Schreiben „Misericordia et misera“ v. 20.11.2016 zeitlich „bis auf weiteres“ ausgedehnt (Nr. 12).

[20] Für die Gläubigen der Chaldäischen (Katholischen) Personalpfarrei „Mar Shimon Bar Sabai“ Stuttgart hat neben dem lateinischen Diözesanbischof (Ersatzbischof) auch der chaldäische (katholische) Pfarrer dieser Personalgemeinde aufgrund seines Amtes Trauungsvollmacht. Für die ukrainischen (griechisch-)­katholischen Christen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart hat neben dem ukrainischen (griechisch-)­katholischen Bischof (Exarchen) nur der Pfarrer der ukrainischen (griechisch-)­katholischen Personalpfarrei „Heiliger Basilius der Große“ Stuttgart Trauungsvollmacht und nicht der lateinische Diözesanbischof oder der lateinische örtliche Pfarrer.

[21] Vgl. Trauungsvollmacht für die orientalischen katholischen Gläubigen, die keinen Hierarchen ihres eigenen Ritus besitzen, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 59 (2015) 371.

[22] Da die Seelsorger der ukrainischen (griechisch-)­katholischen Christen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart kein eigenes Pfarrbüro haben, melden sie die Amtshandlungen an die jeweilige örtliche lateinische Kirchengemeinde, damit von dort aus der Eintrag ins kirchliche Meldewesen und die Weitermeldung an die staatlichen Stellen vorgenommen werden kann.

[23] Vgl. Kirchenbuchführung in Kirchgemeinden und Gemeinden für Katholiken anderer Muttersprache, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 53 (2009) 224 f.

[24] Vgl. Anm. 11.

[25] Vgl. Anm. 16.

[26] Vgl. Ordnung für die Kirchengemeinden und örtlichen kirchlichen Stiftungen – Kirchengemeindeordnung, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 63 (2019) 36–56.

[27] Vgl. Chaldäische Gemeinde. Bitte um Mithilfe bei der Vorbereitung der Kirchengemeinderatswahl, in: ABl. Rottenburg-Stuttgart 63 (2019) 358, 358.

[28] Siehe Anm. 11.